Vier Stränge seiner Malerei

In dieser Periode 2002 bis Ende 2004 überlagern sich vier Stränge seiner Malerei:

I.

Ein zentrales Werk, das die Malerei vor der langen Krise zwischen 1996 und 2002 mit seinem Schaffen nach der überstandenen Krankheit verbindet, ist sein Jazzbild "Coltrane und das Rad" aus 1994, das Niki 2003 wesentlich überarbeitet hat. In die kleinteilige, chaotisch wirkende Malerei hat er über eine helle Farbfläche das Rad eines Fahrrads, ein Zitat der für die Kunst des 20. Jahrhunderts so wichtigen Ready-mades "Fahrrad" von Marcel Duchamp aus dem Jahr 1913, eingefügt. Vorher gab es an dieser Stelle des Bildes einen Hinweis auf das "Schwarze Quadrat", ein Schlüsselwerk des russischen Avantgardisten Kasimir Malewitsch. In anderen Paraphrasen, in denen er wichtige Strömungen der Malerei des 20. Jahrhunderts reflektierte, griff er z.B. Jackson Pollocks "dripping painting" auf.

II.

Zahlreich sind auch wieder seine reinen Jazzbilder: aus dem dunklen Fond (Bühne) hell und rot grell treten expressiv gemalte Jazzmusiker hervor. Meist sind es kleine Besetzungen, Quartett bis Sextett, und seine Jazzgrößen reichen von dem überragenden Avantgardetrompeter der Nachkriegszeit Miles Davis über den Saxophonisten John Coltrane, die modernen Jazzklassiker der 60er-Jahre und dem französischen Jazztrompeter Eric Truffac bis zu Ethnojazz und Hip Hop.

III.

Einige der Jazzbilder gehen auch in Richtung Abstraktion, die in dieser Schaffensperiode stark hervortritt. Musikalische Jazzfiguren werden in eine kraftvolle abstrakte Malerei transformiert. Einige dieser Malereien erinnern an Actionpaintings und an frühe, dichte Schüttbilder von Hermann Nitsch oder an die frühen Kristallisationen von Maria Lassnig.

Doch meist sind es semi-abstrakte Bilder mit einer Restgegenständlichkeit. Ein Werk aus dem Jahr 2003 hat den Titel "Auf Kriegsfuß mit der Abstraktion": Aus dem abstrakten Hintergrund tritt eine negroide Kriegerin mit Pfeil und Bogen hervor und sagt quasi dem Abstrakten den Kampf an. Niki aber hat seinen Frieden mit der Abstraktion geschlossen, und ab etwa 2002 wird diese zu einem Schwerpunkt seines Schaffens. Auch einige seiner Natur- und Landschaftsbilder gehen in Richtung abstrakte Malerei. "Auf dem Wege zur Abstraktion ist dabei für Schnetzer das des Experimentellen und der größeren malerischen Freiheit richtungsweisend. Farbflächige Gestaltungen gerinnen zu immer diffizileren, strukturierten Malweisen, die auch einen stark zeichnerischen Charakter aufweisen und durch nuancierte, teilweise filigrane Farbfindungen akzentuiert werden." (Carl Aigner in der Einladung zur Ausstellung in der Stadtbild-Galerie, Wien 2003/04).

IV.

In diesen Jahren entsteht auch eine Reihe von solide gemalten Landschaftsbildern wie "Wald bei Mödling". Dann malt er im Weinviertel (Serie "Weinviertel" I-V) oder am Semmering. Diese Bilder fallen durch ihr festes Farbgefüge und eine oft weite Perspektive auf. Und einige dieser Bilder - z. B. das Blätterdach eines Baumes - lösen sich, wie schon gesagt, in Richtung Abstraktion auf.

Einige erfolgreiche Ausstellungen

Die Ergebnisse dieser sehr dichten, leider letzten Schaffensperiode ab 2002 mit ihrer Parallelität von Gegenständlichkeit und Abstraktion zeigt Niki Schnetzer in mehreren Einzelausstellungen. Seine umfassende Präsentation in den großzügigen Räumen der Ordination Dr. Tina Träxler hatte ich Anfang November 2003 eröffnet. Und im Dezember 2003 folgte die Ausstellung mit dem bewusst grotesken Titel "Affen im Fischernetz" in der Stadtbild-Galerie. Für seine letzte Schau "Songlines" im Oktober 2004 in dem mit schönen Ausstellungsräumen versehenen, aber leider entlegenen Palais Wittgenstein hatte ich versprochen, einen Text über die Parallelität von Gegenständlichkeit und Abstraktion in seinen Jazzbildern zu schreiben. Durch eine Erkrankung bin ich dann weder dazu gekommen, diesen Text zu schreiben noch diese nur für eine Woche anberaumte Ausstellung - das Haus Wittgenstein muss ja immer gemietet werden - zu besuchen. Und so bin ich jetzt sehr froh, dies - wenn auch leider nur noch als einen letzten Freundschaftsdienst - ausführlich nachgeholt zu haben.




Wien, im Dezember 2005

Dieter Schrage (1935-2011) war Kulturwissenschaftler, -aktivist und -politiker.