DER ABSCHIED FÜR IMMER EINES STARKEN MALERS

Persönliche Anmerkungen zu Person und Schaffen von Niki Schnetzer

 

Dieter Schrage

Eine schwere, aber jeweils sehr verschiedenartige Erkrankung eines jeden von uns beiden hatte uns zusammengeführt. In ein gemeinsames Doppelzimmer im Rehabilitationszentrum "Weißer Hof" am Rande von Klosterneuburg. Niki, geboren 1965, seit Beginn der 80er-Jahre immer wieder psychotischen Schüben ausgesetzt, hatte bei einem Suizidversuch in der U-Bahn sein linkes Bein ab dem Oberschenkel verloren. Ich war nach einer langen, schweren Knochenerkrankung (Osteomyelitis) an beiden Beinen unterschenkelamputiert.

Wir waren beide ganz schön in der Krise damals. Und dennoch sprachen wir viel über Politik und Kunst und über das Leben. Zumal ich Nikis Hochschullehrerin Maria Lassnig und dann später Christian Ludwig Attersee gut gekannt habe. Und bei einem abendlichen Gespräch in der Kantine kamen wir darauf, dass wir uns anlässlich eines Besuches von mir in der alten, jetzt zu einem modernen Wohn- und Kulturprojekt gestalteten Sargfabrik bereits kennen gelernt hatten. Dort wohnte, besser eigentlich hauste, seit Anfang der 90er-Jahre eine Gruppe von Künstlern. Und diese hatten unter Führung der sehr taffen Ruth Wieser - einer Leidensgefährtin von Niki und 1995 durch einen Suizid verstorben - dann später in Ottakring das "Kunstwerk" gegründet. In der alten Sargfabrik hatte übrigens auch Hermes Phettberg bei Kurt Palms "Sparverein der Unzertrennlichen" als Schauspieler begonnen.

Im Patentamt debütiert

Niki (Nikolaus Schnetzer), der seit dem Wintersemester 1988/89 an der Hochschule für angewandte Kunst Malerei studiert hatte, debütierte 1988 mit einer Ausstellung im Patentamt Wien. Und dann beteiligte er sich wiederholt an Ausstellungen der Lassnig-Klasse, u. a. im Heiligenkreuzerhof in Wien und in Prag. Eine bemerkenswerte Arbeit aus dieser frühen Zeit ist das sehr flächige, sehr reduzierte graugrüne Tafelbild "It's OK to listen to the grey voice" (1989). Doch bald danach wurde Niki Schnetzer's Malerei viel körperhaft realistischer, expressiver, wie sein mit Schielehafter Härte gemaltes Bild "Coitus" aus 1990 deutlich macht. Diese expressive Linie setzte sich dann verstärkt, nun mit ins Groteske gehenden Körperverzerrungen und fratzenhaften Gesichtern - teilweise mit Selbstporträtzügen - in den Tanz- und Jazzbildern fort. Starke Bilder vor der fast tödlich endenden Krise im Jänner 1992 sind "Balztanz vor Carmen", "Die letzten Tänzer" auf einer schwarzen (Erd-)Kugel, das Triptychon "Voodoo Dance Floor" (alle aus 1991) sowie die für inhaltliche Intentionen seiner Malerei dieser Zeit typische Arbeit "Tarzan begegnet Jane", ein Bild, das einen in einer dunklen, nackten und verzerrten Köperlichkeit gemalten Tarzan - wieder selbstporträthaft - vor der auf einer Schaukel sitzenden Lady Jane zeigt.

Phasen der Krisen und der Produktivität

Ich wurde etwa im Mai 1992 vor Niki aus dem "Weißen Hof" entlassen, blieb aber regelmäßig mit ihm, soweit er nicht in der Klinik war, in Kontakt. Ich hatte bald, vor allem dank der unermüdlichen Unterstützung durch meine Frau Margit, den Schock der Amputationen überwunden und wurde wieder sehr mobil. Bei Niki, bei dem die Krankheit viel tiefer in der Seele saß, gab es trotz ständigem Bemühen seines familiären Umfeldes anhaltende Phasen der Krise, aber auch der fruchtbaren künstlerischen Produktivität. So anfällig und teilweise auch schwach - z. B. manchmal gegenüber dem Alkohol - Niki zeitweise in seinem Leben war, so war er aber immer sehr stark in seiner Malerei mit einer meist kräftigen, aus dem Schwarz kommenden Farbigkeit. Dichte, angefüllte Bilder mit kräftigen Konturen. Expressiv. Und mit dieser Malerei setzte er auch bald nach seiner Entlassung aus dem "Weißen Hof" fort. Bei einigen Besuchen in seiner Atelierwohnung im 5. Bezirk konnte ich mich davon überzeugen. Hier sah ich z. B. sein starkes, neues Triptychon "Mein Zoo" aus 1993, ein randvoll gemaltes, expressives Bestiarium, sein "Jenseits von Afrika" (1994) oder das neo-expressive "New York Zoo" (1995). Ein sehr schönes Tierbild dieser Zeit ist "What's on TV". Und ein bekanntes Thema wieder aufgreifend: "The Beauty and the Beast" (1993). In dieser Zeit entstanden auch sein "Jimy Hendrix" und zahlreiche Jazz-Bilder, stets ein Schwerpunkt in der Malerei des Künstlers, der ein Freund des modernen Jazz und ein begeisterter, exzessiver Tänzer war - ich glaube, auch nach seinem Beinverlust. Und ab Mitte der 90er-Jahre gibt es auch die frühen, sehr dicht und kleinteilig gemalten Mikro-Abstraktionen wie die "Songlines" aus 1994. 1995 gab der Künstler einen Überblick über sein Schaffen im "Kunstwerk", das nach der Fertigstellung der neuen Sargfabrik, wo ich heute wohne, nach Ottakring übersiedelt war.
1996 holte ihn seine lädierte Psyche wieder ein und er kam bis ins Jahr 2002 kaum zum Malen.
Erst ab dem Frühjahr 2002 begann dann wieder eine bis zu seinem plötzlichen Tod anhaltende dichte Schaffensperiode.