NIKOLAUS SCHNETZER

eine Erinnerungspoesie zum Werk des Künstlers, auch Zugabe

 

Christian Ludwig Attersee

Wenn man von Malerei spricht, spricht man auch von der Spiegelung menschlicher Überlebenstechniken, und speziell im Werk Nikolaus Schnetzers zeigen sich die Sehnsucht und die Kraft, Wünsche, Träume und Ängste eigenständig umzusetzen, Auseinandersetzung mit der Würde des Menschen sind die Gedichte rechts und links dazu. Bluseaufknöpfen, Endlosigkeit und Besessenheit, Bescheidenheit und die Jagd nach der Biografie der Liebe sind einige der Sternengriffe, Dialoge und Hintertüre in die Bühnen Schnetzers Malerei. Auf dem Weg nach dem Schlüssel und dem Schloss zu seinen Bildern zwingt er uns, das gesamte Taschengeld unserer inneren Uhren zu zücken, um die Zeiger seiner Vorstellungen zu finden und zu erwandern, um zumindest in das Kielwasser seiner Bildfindungen zu driften. Ein Weggefährte seiner Welten zu sein heißt, die eigenen Erwartungen manchmal in Frage zu stellen, um sie vielleicht anders zu ordnen, heißt, dabei zu sein, wie ein doch sehr eigenständiger Künstler sich bemüht, unsere Welt neu zu bebildern, zu erweitern, daran auch zu scheitern und zu erneuern.

Überblickend gesehen teilt sich Nikolaus Schnetzers Werk für mich in folgende Bildboote.

Erstes Boot: Die Landschaft des Juweliers

Wie groß die Sonne ist, bestimmt der Künstler täglich selbst. Das Malen von Landschaft ist zuletzt ein Abschiedskonzert von Himmel, Wasser und Erde, eine Landschaft ist auch wie das Schlafzimmer des Juweliers: Sternteppich, Milchstraßen, Laternenkuss auf Nebelschwaden, und vergessen wir nicht den Mond - nackt wartend im Garten der Lüste, den diamantenen Schaum auf blauen Wellenkämmen, dazu das Wangenrot des Sonnenuntergangs - in all das setzt der Juwelier mit seinem Pinsel Bäume in Kleidern aus dampfendem Tau, Blüten und Gräser, wie Fieber zu Perlen. Landschaft ist aber auch ein zerschossener Mund, ein Kopf voll kalter Klöster ferne von der Liebsten, Dichtkunst, die vom Himmel fault, Versuche an Waldrändern, Brot und Äpfel zu scheißen. Wir sind eben dabei, den großen Aufgabenkreis der Landschaftsmalerei zu beschriften.

Blatt und Baum verstecken das Kosen von Goethes Gretchen und ihren unzähligen Schwestern und Brüdern, Blatt und Baum verstecken Knochenhäute und den Pfau auf versalzener Butter, versalzenem Schnee und versalzenen Wiesen. Nur der Juwelier jedoch findet all diese Landschaftssteine und gestaltet sie zu seinem persönlichen Mosaik. Landschaftsmalerei ist Armeleutekunst, hat Platz für Liebe und tote Soldaten, hat Platz für abgetrennte, zuckende Zungen in den Farben des Abendhimmels; wir kennen sie als schwarze Krähen in Landschaftsbildern von van Gogh.

Zweites Boot: Jazzschiff

Der suchende Blick des Bildregisseurs in das Reich blassgrüner oder rostroter Malgründe auf der Jagd nach erregenden Bildszenen, auf der Jagd nach feurigen, meist in spiralförmigen Kompositionskernen verzahnter Menschenleiber, seien es elektrisierende Musiker, seien es halbnackte, schweißschleudernde Tänzer, seien es die kratzbürstigen Trinker mit Hang zu Ferkelblicken, - sie alle bevölkern die glanzfeuchten Goldstücke berstender Saxophone. Der Künstler pinselt und beschreibt diese Lebensausschnitte ins Kellerlicht seiner Bilder, seine Pinseljagd erfüllt den Raum mit geschehenem Leben, eine schwankende Kiste nimmt Form an, und noch lange nicht nimmt der Künstler sein Werkzeug aus dieser Schöpfung. Ein Raum, beweglich wie Lippenfleisch, ist sein Ziel, wird sein Werk. Der Künstler selbst betritt dieses Farbknäuel, schwebt, treibt, läuft und tanzt in den Farben der Musik, in seinem gemalten Licht,- in Fleisch, Gold und Schweiß, er ist das entscheidende Boot in seinem Bild.